Ordnungsmäßigkeit der Buchführung

Verschiedene Anfragen unserer Mandanten in der CASIS Wirtschaftsprüfung und der CASIS Steuerberatung haben wir zum Anlass genommen, einen einführenden Artikel zum Thema ‚Ordnungsmäßigkeit der Buchführung‘ zu schreiben. Aufgrund der Komplexität und Fülle von Vorschriften kann dem Leser nachfolgend jedoch nur ein Überblick zu dieser Materie gegeben werden.


Welche Pflichten hat der Abschlussprüfer?


Im Handelsgesetzbuch (HGB) finden sich in den §§ 316–324a Regelungen zur Prüfung des Jahresabschlusses durch einen Abschlussprüfer. Das Gesetz legt hier insbesondere fest, wer überhaupt prüfungspflichtig ist. Darüber hinaus werden beispielsweise Gegenstand und Umfang der Prüfung sowie die Bestellung und Abberufung des Abschlussprüfers geregelt. Besondere Bedeutung kommt der Vorschrift des § 321 HGB zu. Hier werden, neben der Pflicht des Abschlussprüfers, über Art und Umfang sowie das Ergebnis der Prüfung zu berichten, auch die Mindestinhalte des zu erstattenden Prüfungsberichts festgelegt. Von dieser Regelung betroffen ist demnach in erster Linie der Abschlussprüfer und nicht der Bilanzierende. § 321 HGB ist für alle gesetzlich vorgeschriebenen Abschlussprüfungen anzuwenden.

Der Gesetzgeber verpflichtet den Abschlussprüfer festzustellen, ob die Buchführung und die weiteren geprüften Unterlagen, der Jahresabschluss sowie der Lagebericht den gesetzlichen Vorschriften und ergänzenden Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags entsprechen. Weiterhin ist im Prüfungsbericht darauf einzugehen, ob der Jahresabschluss insgesamt unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) oder sonstiger maßgeblicher Rechnungslegungsgrundsätze ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der zu prüfenden Gesellschaft vermittelt.

Der Abschlussprüfer ist demnach gesetzlich dazu verpflichtet die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung des Prüfungspflichtigen zu beurteilen. Hierbei ist es nicht erforderlich, dass Feststellungen zum gesamten Rechnungswesen getroffen werden. Die Beurteilung des Abschlussprüfers richtet sich auf die Finanzbuchführung, soweit auf dieser der Jahresabschluss aufbaut. In diesem Zusammenhang werden regelmäßig auch Ausführungen zum genutzten IT-System erforderlich sein.


Woraus ergeben sich die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB)?


Der handelsrechtliche Jahresabschluss bedarf genauso wie die Steuerbilanz zweier Grundlagen. Diese sind die Buchführung und das Inventar. Die Buchführungspflicht ist nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu erfüllen. Der Wortlaut „Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung“ ergibt sich u. a. aus § 243 Abs. 1 HGB. Dennoch handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der nur zum Teil kodifiziert ist (z. B. in § 252 Abs. 1 HGB). Teilweise handelt es sich bei den GoB um Gewohnheitsrecht, das rechtsformunabhängig gilt. Neben den handelsrechtlichen Vorschriften geben auch die Einkommensteuerrichtlinien (EStR) praktische Hinweise für die Einhaltung der GoB (R 5.2 bis R 5.4 EStR). Eine Weiterentwicklung der GoB erfolgt durch das Institut der Wirtschaftsprüfer (Hauptfachausschuss), durch das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee, vertreten durch den Deutschen Standardisierungsrat (DRSC bzw. DSR), sowie durch Urteile des BFH und des BGH.


Wie werden die GoB definiert und wie setzen sie sich zusammen?


Die GoB sind allgemein anerkannte Regeln, die der Kaufmann bei der Erstellung eines gesetzeskonformen Jahresabschlusses beachten muss. Aus dieser Formulierung wird deutlich, dass eine rein steuerliche Gewinnermittlung durch Einnahme-Überschuss-Rechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) durch beispielsweise einen Freiberufler (z. B. Arzt, Architekt, Rechtsanwalt) nicht den GoB unterliegt. Der Begriff der GoB umfasst die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung i. e. S., die Grundsätze ordnungsmäßiger Inventur und die Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung.


Wie lauten die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung i. e. S.?


Nach dem Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit soll die Buchführung so beschaffen sein, dass sie durch einen sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit nachvollziehbar ist. Notwendig sind Eintragungen in einer lebenden Sprache. Bei der Nutzung von IT-Systemen dürfen Abkürzungen u. ä. dann verwendet werden, wenn deren Bedeutungen aus Programmbeschreibungen hervorgehen.

Weiterhin sind die Grundsätze der Vollständigkeit und Richtigkeit zu beachten. Es dürfen demnach keine Geschäftsvorfälle weggelassen, hinzugefügt oder abweichend vom tatsächlichen Ablauf dargestellt werden. Die ordnungsmäßige Buchführung setzt insbesondere eine erfüllte Belegfunktion voraus. Notwendige Angaben sind hierbei der Inhalt des Geschäftsvorfalls, der zu buchende Betrag und der Zeitpunkt des Geschäftsvorfalls. Aus den genannten Anforderungen stammt der häufig zitierte Satz: Keine Buchung ohne Beleg! Zur Erfüllung der Belegfunktion ist ein Papierbeleg nicht zwingend erforderlich (Stichwort: Digitale Rechnungen). Ein externer Beleg in Form eines Kontoauszugs ist ausreichend. Bei EDV-Buchführungen müssen Änderungen und Korrekturen vom verwendeten System automatisch aufgezeichnet werden.

Der Grundsatz der rechtzeitigen und geordneten Buchung sieht vor, dass Buchungen innerhalb einer angemessenen Frist in chronologischer Reihenfolge vorzunehmen sind. Kasseneinnahmen und -ausgaben sind grundsätzlich sogar täglich festzuhalten (§ 146 AO). Bücher und Buchungsbelege sind über zehn Jahre aufzubewahren.


Wie lauten die Grundsätze ordnungsmäßiger Inventur?


Nach dem bereits erwähnten Vollständigkeitsgrundsatz sind am Schluss eines jeden Geschäftsjahrs alle Vermögensgegenstände, Rechnungsabgrenzungsposten und Schulden des Unternehmens in ein Inventar aufzunehmen. Die Tätigkeit der körperlichen Bestandsaufnahme wird hierbei als Inventur bezeichnet. Die Zurechnung der einzelnen Posten erfolgt nach der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (z. B. Zurechnung von Treuhandvermögen beim Treugeber). Grundsätzlich gilt das Prinzip der Einzelerfassung. Bei Anwendung anerkannter mathematisch-statistischer Methoden genügen auch Stichprobenverfahren (§ 241 HGB). Weitere Vereinfachungen gewährt das Gesetz durch Anwendung der Festbewertung oder Gruppenbewertung
(§ 240 HGB).

Nach dem Grundsatz der Richtigkeit ist eine zutreffende Erfassung nach Art, Menge und Wert der aufzunehmenden Posten notwendig. Die Inventurmethoden und -ergebnisse sind übersichtlich, eindeutig und nachprüfbar aufzuzeichnen (Grundsatz der Klarheit). Nach dem Grundsatz der Rechtzeitigkeit hat die Aufstellung des Inventars innerhalb der einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang entsprechenden Zeit zu erfolgen. Neben der klassischen Stichtagsinventur lässt das Gesetz auch an dieser Stelle Vereinfachungen zu (vor- bzw. nachgelagerte Stichtagsinventur, laufende Inventur).


Wie lauten die Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung?


Diese Grundsätze sind speziell bei der Aufstellung des Jahresabschlusses zu beachten. Bilanz und GuV sind klar und übersichtlich zu gestalten. Dazu gehört beispielsweise ein Saldierungsverbot von Forderungen und Verbindlichkeiten sowie von Aufwendungen und Erträgen. Sämtliche relevante Posten sind vollständig in den Jahresabschluss aufzunehmen. Die Form der Darstellung ist beizubehalten (formelle Bilanzkontinuität), sodass eine Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse im Zeitverlauf ermöglicht wird. Nach dem Grundsatz der Bilanzidentität muss die Schlussbilanz des Vorjahrs mit der Eröffnungsbilanz des nächsten Jahrs identisch sein. Dieser Grundsatz ist insbesondere bei der buchhalterischen Erfassung von Betriebsprüfungsergebnissen von Bedeutung.

Handelsbilanziell sind die Ansätze grundsätzlich vorsichtig zu bewerten. Nach diesem Grundsatz sind Gewinne erst dann auszuweisen, wenn sie realisiert sind (Realisationsprinzip). Demgegenüber sind vorhersehbare Risiken und Verluste bereits vor Realisation zu berücksichtigen (Imparitätsprinzip). Steuerbilanziell wird dem nicht in jedem Fall gefolgt. Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften dürfen hier beispielsweise nicht gebildet werden (§ 5 Abs. 4a EStG). Bewertet werden die Bilanzposten grundsätzlich einzeln. Dabei ist von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen, sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen. Nach dem Grundsatz der materiellen Bilanzkontinuität sind die angewandten Bewertungsmethoden beizubehalten. Die Aufwendungen und Erträge sind außerdem periodengerecht den einzelnen Geschäftsjahren zuzuordnen. Letzteres kann in der Praxis beispielsweise bei der Frage nach der wirtschaftlichen Verursachung im Rahmen der Bildung von Rückstellungen problematisch sein.


Warum ist die Beachtung der GoB wichtig?


Verstöße gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung können zum Teil unangenehme Folgen für den Bilanzierenden haben. Werden beispielsweise notwendige Aufzeichnungen (Kassenbuch, Inventarbuch u. a.) nicht geführt, kann aufgrund eines erheblichen formellen Mangels keine ordnungsmäßige Buchführung vorliegen. Die Folge kann steuerlich in der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen liegen. Das Finanzamt muss bei Schätzungen zwar jeden Fall individuell betrachten und darf nicht einfach willkürlich vorgehen, dennoch zeigt die Erfahrung, dass die geschätzten Umsätze und Gewinne meist über den tatsächlichen liegen. Der Steuerpflichtige wird dadurch mit höheren Steuern belastet als es bei einer ordnungsgemäßen Buchführung notwendig gewesen wäre.

Materielle Mängel können ebenfalls zu einer (Teil-)Schätzung des Finanzamts führen. Dies kann insbesondere bei der Nichtbuchung von Geschäftsvorfällen oder bei Passivsalden im Kassenbuch der Fall sein.
Wie zu Beginn dieses Artikels erwähnt, ist der Abschlussprüfer verpflichtet die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung zu beurteilen. Ist diese Ordnungsmäßigkeit nicht gegeben, kann unter Umständen der Bestätigungsvermerk versagt werden.
Kleinere formelle oder materielle Mängel führen häufig zu Korrekturen im Rahmen der Abschlussprüfung oder der Betriebsprüfung. Bei Letzterer sollte bedacht werden, dass sich der Prüfungszeitraum meist über mehrere Jahre erstreckt, sodass sich Fehler häufig aufsummieren. Steuernachzahlungen in größerem Umfang zuzüglich angefallener Zinsen können dabei die Folge sein.


Gibt es steuerliche Besonderheiten?


Das Bundesfinanzministerium hat mit Schreiben vom 14. November 2014 die GoBD (Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff) veröffentlicht. Die Finanzverwaltung nimmt hier Stellung zu den formalen Anforderungen an die Buchführung und die Aufbewahrung steuerrechtlich relevanter elektronischer Daten und Papierdokumente unter Bezug auf die GoB. Die Rechtsentwicklung schreitet hierbei allerdings genauso schnell voran wie die technischen Möglichkeiten. Daher sind auch bei der Beachtung der mittlerweile vier Jahre alten GoBD die zwischenzeitlichen Entwicklungen zu berücksichtigen.


Wichtige Hinweise

  • Eine Besonderheit der GoB liegt darin, dass sie nicht gebündelt in einem Gesetz niedergeschrieben sind. Ergänzend zu Handelsgesetzbuch und Steuergesetzen sind auch diesbezügliche Verlautbarungen des IDW und des DRSC zu beachten.
  • Die Einhaltung der GoB ist nicht nur handelsrechtlich eine Pflicht für jeden Kaufmann, sondern auch aus steuerlicher Sicht von großer Bedeutung. Eine ordnungsmäßige Buchführung hilft nicht nur, Schätzungen zu vermeiden. Sie reduziert insgesamt das Risiko größerer Steuernachzahlungen.
  • Vor dem Hintergrund der Digitalisierung sind die GoBD zu beachten. Die aktuellen Entwicklungen in rechtlicher und technischer Hinsicht sollten dabei genau beobachtet werden.

 

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