Hintergrund:
Der Vertrauenseinbruch des Kapitalmarkts in die Qualität der Unternehmensführung und -überwachung bei Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten im Zuge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 hatte weitreichende Reformpakete nach sich gezogen, die auch die Qualifikation und Zuverlässigkeit der Geschäftsführer und Aufsichtsratsmitglieder in den Fokus rückten. Die jüngsten Entwicklungen beim Finanzdienstleister Wirecard zeigen nun, dass offensichtlich auch die seit 2008 implementierten Maßnahmen und Vorgaben in diesem Fall nicht ausgereicht haben, um die geforderte „gute Unternehmensführung und -überwachung“ durchsetzen zu können.
Ungeachtet dieser aktuellen Vorkommnisse hatte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) das Konsultationsverfahren zu ihren Merkblättern für Geschäftsleiter und Aufsichtsräte sowie einige unmittelbar zugehörige Vorschriften der Anzeigenverordnung bereits am 3. Juni 2020 gestartet.
Einheitliche Regelungen für Geschäftsleiter sind Teil des Prozesses der europäischen Harmonisierung von aufsichtsrechtlichen Vorschriften. Eingang in das Kreditwesengesetz (KWG) fanden zahlreiche Anforderungen an die Organe der Kreditinstitute bereits mit der Umsetzung der Capital Requirements Directive IV (CRD IV) in nationales Recht zum 1. Januar 2014. Im Jahr 2019 folgte die Verabschiedung der CRD V, die als EU-Richtlinie von den Mitgliedsstaaten bis Ende 2020 ebenfalls in nationales Recht umzusetzen ist. Zu diesem Zweck wurde am 29. Juli 2020 der Entwurf eines Gesetzes zur Reduzierung von Risiken und zur Stärkung der Proportionalität im Bankensektor (Risikoreduzierungsgesetz: RiG) beschlossen. Die in Ergänzung zu den dort aufgeführten Anpassungen konsultierten Merkblätter sollen das bisher geltende „Merkblatt zu den Geschäftsleitern gemäß KWG, KAGB und ZAG“ und das „Merkblatt zu den Mitgliedern von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen gemäß KWG und KAGB“ (beide vom 4. Januar 2016 und zuletzt geändert am 18. November 2018) ablösen. Die Überarbeitung der Merkblätter dient außerdem der Übernahme der „Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen“ (EBA/GL/2017/12) sowie der „Leitlinien zur internen Governance“ (EBA/GL/2017/11) der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (European Banking Authority: EBA) und der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority: ESMA) vom 26. September 2017 (nationale Sprachfassungen vom 21. März 2018) in die Verwaltungspraxis der Bundesanstalt, im Rahmen der dazu von ihr abgegebenen eingeschränkten Compliance-Erklärungen.
Die zur Konsultation gestellten Änderungen zeigen klar den Zielfokus der Aufsicht: Die bislang eher auf Freiwilligkeit setzenden Diversitätsbestrebungen sollen deutlich an Verbindlichkeit gewinnen. Durch das CRD-IV-Umsetzungsgesetz hatte der Gesetzgeber zum damaligen Zeitpunkt die Förderung der Diversity zwar im Rahmen der konkretisierten Tätigkeiten des Nominierungsausschusses im Aufsichtsrat explizit herausgestellt, allerdings ohne nähere Vorgaben zur konkreten Umsetzungsstrategie zu treffen. Diese Konkretisierung erfolgt nun durch die novellierten Merkblätter. Ohne Vorgaben zur quotalen Besetzung zu machen, bettet die Aufsicht die oft betonten, aber bislang unzureichend beachteten Vorteile der Diversität in den Gremien in die zu erfüllenden Anforderungsprofile von Gremienmitgliedern ein:
- „Unvoreingenommenheit“
- „offene und konstruktive kritische Meinungsäußerung“
- „Mut, Überzeugung und Stärke, die von anderen Organmitgliedern vorgeschlagenen Entscheidungen zu bewerten und kritisch zu hinterfragen“
- „Fähigkeit, sich nicht dem Gruppendenken zu unterwerfen“
- „Eignung in der Gesamtheit“
Dies trägt den wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung, dass die Wahrscheinlichkeit, die beste Handlungsoption zu finden, mit der Anzahl an Lösungsalternativen, die ein Problem von unterschiedlichen Perspektiven aus beleuchten, steigt. Allzu homogene Gruppen unterliegen demgegenüber häufig dem Phänomen des Gruppendenkens, bei dem der Zusammenhalt innerhalb der Gruppe die Beachtung realer Fakten an Bedeutung übersteigt. Die vorgesehenen Änderungen gegenüber den bisher geltenden Merkblättern schlagen sich insbesondere in den novellierten Anforderungen an das Profil der Gremienmitglieder, in den Verfahrensanpassungen im Rahmen der sogenannten „Fit-and-Proper-Prüfung“, der Ausweitung der Anzeigepflichten, in den Konkretisierungen zur Schaffung und Überwachung des internen Anweisungs- und Prozesswesens der Institute und den erhöhten Pflichten von Geschäftsleitung und Aufsichtsorgan mit seinen Ausschüssen nieder. Stellungnahmen an die BaFin waren bis zum 17. Juli 2020 möglich.
Wesentliche Inhalte der Corporate-Governance-Reformen:
Anforderungsprofil: Fachkunde und Sachkunde:
Zentraler Gegenstand der Aufgabenerfüllung des Banken-Aufsichtsorgans ist die Risk Governance, d. h. die Verhinderung von Risiken, die vom definierten Risikoprofil eines Instituts abweichen. Auf die dazu erforderliche Zuverlässigkeit und Sachkunde wird in § 36 Abs. 3 KWG verwiesen. In Abgrenzung zu der für die Geschäftsleiter nach § 33 Abs. 2 KWG geforderten Fachkunde wird für Verwaltungs- und Aufsichtsratsmitglieder diese gerade nicht gefordert, sondern lediglich die Eignung, wirtschaftliche und rechtliche Abläufe im Tagesgeschäft der Bank beurteilen zu können, verlangt.
Die novellierten Merkblätter ergänzen sowohl die Anforderungen an die Geschäftsleiter in Bezug auf die fachliche Eignung in der Gesamtheit als auch die Anforderungen an die Sachkunde der Verwaltungs- und Aufsichtsräte in der Gesamtheit gemäß § 25d Abs. 2 KWG. Konkretisierungen für beide Gremien finden sich auch zur Einführung in das Amt. Die für die Aufsichtsorgane bereits in der Vergangenheit thematisierten Anforderungen zur Weiterbildung wurden nunmehr auch für die Geschäftsleiter definiert.
Für Geschäftsleiter wurde der Katalog der individuell erforderlichen Fachkenntnisse lediglich um informationstechnische Inhalte ergänzt, sofern diese für die Ausübung der mit der Position verbundenen Aufgaben notwendig sind. Neu dagegen ist die Anforderung, dass die Geschäftsleiter auch in der Gesamtheit alle notwendigen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen mitzubringen haben, um ihrer Gesamtverantwortung für die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation und den damit einhergehenden Anforderungen (§ 25c Abs. 3, 4a und 4b KWG) jederzeit gerecht zu werden. Dies bedeutet ein ausgewogenes Maß an Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen mitzubringen, die dem Geschäftsmodell, dem Risikoappetit, der Strategie und den Märkten, auf denen das Institut tätig ist, entsprechen.
Für Verwaltungs- und Aufsichtsräte hat die Aufsicht im novellierten Merkblatt einen Anforderungskatalog an die Sachkunde geschaffen, der ihre Erwartung widerspiegelt, das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan möge in seiner Gesamtheit über ausreichende Fähigkeiten verfügen, die es erlauben, die Geschäftsleitung zu überwachen, einschließlich der folgenden Kenntnisse über
- das Geschäft des Instituts und die damit verbundenen Hauptrisiken sowie die relevanten Bereiche der sektoralen/finanziellen Kompetenzen, einschließlich Finanz- und Kapitalmärkte sowie Solvenz und Modelle;
- jedes der wesentlichen Tätigkeitsfelder des Instituts sowie lokale, regionale und globale Märkte;
- Führungsfähigkeiten und -erfahrung, die Fähigkeit der strategischen Planung sowie das Management von (inter)nationalen Konzernen und Risiken im Zusammenhang mit Konzernstrukturen, soweit zutreffend;
- das rechtliche und regulatorische Umfeld;
- Rechnungslegung und –berichtswesen;
- Risikomanagement, Compliance und Interne Revision;
- Informationstechnik und -sicherheit.
Auch im Falle einer Ausschussbildung sollten die Mitglieder der Ausschüsse individuell sowie in der Gesamtheit jeweils über ausreichende Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrung verfügen, um die dem Ausschuss zugewiesenen Aufgaben erfüllen zu können, wobei eine gelegentliche Rotation der Vorsitzenden und Mitglieder in Betracht gezogen werden sollte. Zudem betont die Aufsicht die Notwendigkeit einer offenen und kritischen Meinungsäußerung. Eine personengleiche Besetzung von Ausschüssen ist zu vermeiden.
Anforderungsprofil: Zuverlässigkeit:
Im Rahmen der Anforderungen an die Zuverlässigkeit wurde in beiden Merkblättern das Erfordernis der „Unvoreingenommenheit“ explizit formuliert. Folglich spricht nach Ansicht der Aufsicht ein Vorliegen von Tatsachen, aus denen sich eine fehlende Unvoreingenommenheit ergibt, für eine mangelnde Zuverlässigkeit. Dieses ist zunächst von den Instituten selbst zu beurteilen. Eine fehlende Unvoreingenommenheit kann sich nach den Inhalten des Merkblattes z. B. darin ausdrücken, dass sich ein Geschäftsleiter oder ein Verwaltungs- oder Aufsichtsratsmitglied
- nicht aktiv für seine Aufgaben einsetzt und
- nicht in der Lage ist, bei der Erfüllung seiner Funktion und Verantwortlichkeiten eigene, vernünftige, objektive und unabhängige Entscheidungen und Urteile zu fällen.
Weitere zu berücksichtigende Umstände können u. a. folgende Verhaltensmuster sein:
- Fehlen von Mut, Überzeugung und Stärke, die von anderen Organmitgliedern vorgeschlagenen Entscheidungen zu bewerten und kritisch zu hinterfragen
- Fehlende Fähigkeit, sich nicht dem Gruppendenken zu unterwerfen
Zudem handelt ein Geschäftsleiter bzw. ein Mitglied des Aufsichtsorgans nicht unvoreingenommen, wenn z. B. seine Fähigkeit, seine Aufgaben unabhängig und objektiv zu erfüllen, durch Interessenkonflikte behindert wird. In ihrem Merkblatt betont die BaFin, dass solche Verwaltungs- und Aufsichtsratsmitglieder zum Ausschussvorsitzenden zu bestimmen sind, die in der Lage sind, die unvoreingenommene Entscheidungsfindung zu fördern. Zudem sollte der Vorsitzende des Risikoausschusses nicht gleichzeitig Vorsitzender des Aufsichtsorgans und auch nicht Vorsitzender eines anderen Ausschusses sein.
Zum Zweck der Beurteilung der Zuverlässigkeit wurde darüber hinaus der Kriterienkatalog für mögliche Interessenkonflikte in beiden Merkblättern erweitert. Während bislang lediglich das Angehörigkeitsverhältnis der Geschäftsleiter untereinander bzw. der Aufsichtsorganmitglieder untereinander sowie das Angehörigkeitsverhältnis von Geschäftsleitern zu Mitgliedern des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans beleuchtet wurden, ist das Vorliegen eines Interessenkonflikts nunmehr auch bei einem Angehörigkeitsverhältnis zu einem oder mehreren Mitgliedern des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans des Mutterunternehmens, von Tochterunternehmen des Instituts oder zu Personen, die eine bedeutende Beteiligung an dem Institut halten, zu bewerten. Für Mitglieder von Verwaltungs- und Aufsichtsräten sind darüber hinaus auch Angehörigkeitsverhältnisse zu einem oder mehreren Mitgliedern der Geschäftsleitung eines Mutterunternehmens oder von Tochterunternehmen eines Instituts relevant. Für das Vorliegen von Geschäftsbeziehungen wurde der Geschäftspartnerkreis um Mutter- oder Tochterunternehmen des Instituts erweitert.
Gemäß dem überarbeiteten Kriterienkatalog der Merkblätter können Interessenkonflikte auch bei Rechtsstreitigkeiten mit dem Institut bzw. dessen Mutter- oder Tochterunternehmen oder in Form von konkurrierenden Interessen bestehen. Ebenso kann es bei Positionen mit hohem politischen Einfluss (auf Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebene) dazu kommen, dass Interessen aus dem politischen Mandat mit institutsbezogenen Interessen in einem Spannungsverhältnis stehen.
Erweitert wurden auch die Pflichten des Verwaltungs- und Aufsichtsorgans bei einem Vorliegen möglicher Interessenkonflikte. Bislang zog die Offenlegung durch den Geschäftsleiter oder ein Mitglied des Aufsichtsorgans (mindestens gegenüber dem Vorsitzenden des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans) seitens des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans lediglich eine Dokumentationspflicht darüber nach sich, welche Interessenkonflikte bestehen und auf welche Art und Weise mit ihnen umgegangen wird. Zukünftig besteht ergänzend eine Kommunikationspflicht. Des Weiteren ist ebenfalls über die zu ergreifenden Maßnahmen zu ihrer Verhinderung, Lösung oder Abschwächung zu entscheiden. Der Geschäftsleiter bzw. das Mitglied des Aufsichtsorgans selbst sollte sich bei Sachverhalten, von denen ausgehend ein möglicher Interessenkonflikt in Bezug auf seine Person vorliegt, der Stimme enthalten.
Außerdem sollten die Institute die Bundesanstalt über einen identifizierten Interessenkonflikt bei Geschäftsleitern oder Mitgliedern des Aufsichtsorgans unter Angabe der ergriffenen Maßnahmen zur Verhinderung, Lösung oder Abschwächung dieses Interessenkonflikts informieren.
Anforderungsprofil: Zeitliche Verfügbarkeit und Mandatszählungen:
Bei der Berechnung der zeitlichen Verfügbarkeiten und der Mandatszählung sind die Änderungen, die sich aufgrund der novellierten Anzeigepflichten ergeben (z. B. Berücksichtigung von Fortbildungszeiten) zu berücksichtigen.
Eignungsprüfung und laufende Überwachung durch die Institute:
Die Aufsicht betont in ihren Merkblättern, dass unbeschadet der aufsichtlichen Beurteilung die primäre Verantwortung für die Erst- und Folgebewertungen der individuellen Eignung und der Eignung in der Gesamtheit der Geschäftsleitung sowie des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans bei den Instituten selbst liegt, was eine entsprechende Implementierung von Prozessen und Richtlinien im Institut voraussetzt.
Im Rahmen der Bewertung der individuellen Eignung ist von den Instituten zu beurteilen, ob die Mitglieder der Geschäftsleitung und des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans zuverlässig sind, über die fachliche Eignung bzw. die erforderliche Sachkunde verfügen und für ihre Aufgaben ausreichend Zeit aufwenden können, wobei die mit der spezifischen Position verbundenen Aufgaben und Zuständigkeiten zu berücksichtigen sind. Zu diesem Zweck stellt die Aufsicht in Anhang III des Merkblatts eine nicht abschließende Liste von relevanten Fähigkeiten zur Verfügung. Im Zusammenhang mit der individuellen Eignungsbewertung eines Geschäftsleiters oder eines Mitglieds des Aufsichtsorgans sollte vom Institut im gleichen Zeitraum auch die Eignung in der Gesamtheit der Geschäftsleitung bzw. des Aufsichtsorgans bewertet werden, insbesondere der Beitrag der Person zur Eignung in der Gesamtheit inklusive der Ausschüsse. Die Dokumentation der Eignungsprüfung sollte neben der Beschreibung von Position und Rolle im Institut auch die Ergebnisse der Eignungsbewertung bezüglich
- der fachlichen Eignung bzw. der erforderlichen Sachkunde;
- der Zuverlässigkeit (einschließlich tatsächlicher und möglicher Interessenkonflikte und der Unvoreingenommenheit, vor allem bezogen auf das frühere und aktuelle Verhalten der zu bewertenden Person, insbesondere im Institut);
- der Einhaltung der Mandatsgrenzen gemäß § 25c Abs. 2 bzw. § 25d Abs. 3 oder Abs. 3a KWG und
- des ausreichenden Zeitaufwands umfassen.
Eignungsprüfungen sollen auch für Inhaber von Schlüsselfunktionen erfolgen. Hierbei handelt es sich um Personen, die einen wesentlichen Einfluss auf die Leitung des Instituts haben, ohne Mitglied der Geschäftsleitung oder des Aufsichts- oder Verwaltungsrats zu sein. Genannt werden im Merkblatt die Leiter der internen Kontrollfunktionen und der Chief Financial Officer (CFO), vorausgesetzt, entsprechende Personen wurden von CRR-Kreditinstituten (Capital Requirements Regulation: CRR) mit einem risikobasierten Ansatz auch als solche ermittelt. Ferner können auch Leiter von wichtigen Geschäftszweigen, Niederlassungen im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) oder der Europäischen Freihandelsassoziation (European Free Trade Association: EFTA), von Tochtergesellschaften in Drittstaaten und sonstige interne Funktionen zu den Inhabern von Schlüsselpositionen zählen. Für diese Personen sollten die Institute im Rahmen von Erst- und Folgebewertungen konkret gewährleisten, dass sie jederzeit zuverlässig sind und über die notwendige fachliche Eignung für ihre Position verfügen. Zugrunde gelegt werden sollten dieselben Kriterien, die im Rahmen der Bewertung dieser Eignungsanforderungen an die Mitglieder der Geschäftsleitung bzw. des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans angewandt werden. Die Prüfung der theoretischen und praktischen Kenntnisse sowie der Erfahrung sollte im Hinblick auf Rolle und Aufgabe der konkreten Position erfolgen.
Für die Bewertung der Eignung in der Gesamtheit dient den Instituten die gemäß Proportionalitätsgrundsatz anzupassende Eignungsmatrixvorlage in Anhang II, sofern sie nicht über eigene geeignete Methoden verfügen, die den einschlägigen Kriterien entsprechen.
Die Eignungsprüfung, die durch den Nominierungsausschuss unterstützt wird, ist gemäß § 25d Abs. 11 S. 2 Nr. 4 KWG durch das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan regelmäßig, mindestens einmal jährlich, durchzuführen. Dabei sind in CRR-Instituten, die von erheblicher Bedeutung sind, mindestens einmal jährlich auch die zeitliche Verfügbarkeit und die Zuverlässigkeit zu überprüfen. „Andere Institute“ sollten eine komplette Neubewertung der Eignung zumindest alle zwei Jahre durchführen. Soweit kein Nominierungsausschuss eingerichtet ist, sollten die Bewertungen nach § 25d Abs. 11 Nr. 3 und 4 KWG ebenfalls mindestens alle zwei Jahre erfolgen.
Eine Neubewertung der Geschäftsleiter, Aufsichtsorganmitglieder bzw. Inhaber von Schlüsselpositionen wird darüber hinaus insbesondere als erforderlich angesehen
- bei Stellung eines Erlaubnisantrags gemäß § 32 KWG,
- bei der Ernennung von neuen Inhabern von Schlüsselfunktionen und,
- wenn relevante neue Tatsachen/Situationen Anlass zu einer Neubewertung geben, insbesondere bei Bedenken in Bezug auf die Eignung, bei wesentlichen Auswirkungen auf die Zuverlässigkeit der Einzelperson, im Rahmen der Kontrolle der Regelungen zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung durch die Geschäftsleitung oder das Aufsichts- oder Verwaltungsorgan sowie in Fällen, die ansonsten die Eignung einer Einzelperson wesentlich beeinträchtigen können.
Die Neubewertung der Eignung der Geschäftsleitung oder des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans erfolgt darüber hinaus vor allem bei
- wesentlichen Änderungen der Zusammensetzung der Geschäftsleitung und des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans, einschließlich der Bestellung neuer Mitglieder der Geschäftsleitung oder des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans sowie
- bei einer erneuten Bestellung von Mitgliedern der Geschäftsleitung oder des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans, falls sich die Anforderungen für die Position geändert haben oder falls das Mitglied in eine andere Position im Leitungsorgan bestellt wird.
Diese Bewertung sollte auf Mitglieder, deren Position sich geändert hat, sowie auf die Analyse der relevanten Aspekte unter Berücksichtigung etwaiger zusätzlicher Anforderungen für die Position beschränkt werden.
Eine Neubewertung der Eignung in der Gesamtheit soll insbesondere in den folgenden Fällen durchgeführt werden:
- Bei einer wesentlichen Änderung des Geschäftsmodells, des Risikoappetits, der Risikostrategie oder Risikostruktur eines Instituts auf Einzel- oder Konzernebene
- Im Rahmen der Kontrolle von Regelungen zur internen Unternehmensführung
- In Fällen, in denen ansonsten die Eignung der Mitglieder der Geschäftsleitung oder des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans wesentlich beeinträchtigt sein könnte
Die unter Angabe des Grundes, der Ergebnisse und Empfehlungen zu dokumentierenden Neubewertungen können sich nach Auffassung der Aufsicht auf die relevanten Änderungen der Geschäftstätigkeiten, Geschäftsstrategien und des Risikoprofils eines Instituts sowie der Aufgabenverteilung in der Geschäftsleitung bzw. im Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan und deren Auswirkungen auf die erforderliche fachliche Eignung in der Gesamtheit bzw. die erforderliche Sachkunde in der Gesamtheit beschränken. Dabei sind insbesondere zu beurteilen:
- Die Effizienz der Arbeitsprozesse des Gremiums und seiner Mitglieder, einschließlich der Effizienz von Informationsflüssen und Berichtslinien
- Die effektive und umsichtige Leitung des Instituts
- Die Fähigkeit zur Konzentration auf strategisch wichtige Sachverhalte
- Die Angemessenheit der Anzahl von und Teilnahme an Sitzungen, der aufgewandten Zeit und Intensität der Beteiligung
- Änderungen der Zusammensetzung von Gremien und Schwächen bezüglich der individuellen Eignung und Eignung in der Gesamtheit
- Festgelegte Leistungsziele
- Die Unvoreingenommenheit der Mitglieder
- Der Grad der Erfüllung der Diversitätsrichtlinie
- Ereignisse mit wesentlicher Auswirkung auf die individuelle Eignung oder Eignung in der Gesamtheit, einschließlich Änderung des Geschäftsmodells, der Geschäftsstrategien und der Organisation des Instituts
Maßnahmen, die im Nachgang zur Neubewertung ergriffen wurden, sollten ebenfalls dokumentiert werden. Zu beachten ist, dass die Bundesanstalt die Vorlage der Dokumentation verlangen kann (§ 44 Abs. 1 S. 1 KWG). Eine Berichterstattung hinsichtlich der Bewertungsergebnisse durch den Nominierungsausschuss bzw. den Verwaltungs- oder Aufsichtsrat gegenüber Geschäftsleitung und Aufsichtsorgan ist ebenfalls vorgesehen, wobei die Geschäftsleitung über die im Bericht enthaltenen Empfehlungen entscheiden und, falls keine Empfehlungen übernommen werden, die entsprechenden Gründe dokumentieren soll.
Als mögliche Maßnahmen kommen nach Ansicht der Aufsicht in Betracht:
- Änderung der Zusammensetzung der Geschäftsleitung bzw. des Verwaltungs- oder Aufsichtsrats, z. B. durch Ernennung von zusätzlichen Mitgliedern mit besonderen Kompetenzen und den Austausch von Mitgliedern des Leitungsorgans
- Schulungen, Änderung von Abläufen, Maßnahmen zur Minderung von Interessenkonflikten
Nicht zuletzt, um beurteilen zu können, ob eine Neubewertung der Eignung erforderlich ist, ist durch das Institut eine laufende Überwachung der individuellen Eignung oder der Eignung in der Gesamtheit der Mitglieder durchzuführen. Diese hat sich im Wesentlichen darauf zu konzentrieren, ob das einzelne Mitglied oder die Mitglieder insgesamt geeignet bleiben. Dabei sind die individuelle oder die Leistung in der Gesamtheit bzw. die relevanten Situationen oder Ereignisse zu berücksichtigen, die eine Neubewertung erfordern, bzw. deren Auswirkung auf die Geeignetheit. Im Rahmen dieser fortlaufenden Eignungsprüfung haben die Institute den ausreichenden Zeitaufwand dann neu zu bewerten, wenn ein Mitglied der Geschäftsleitung oder des Aufsichtsorgans ein zusätzliches Mandat übernimmt oder beginnt, neue relevante Tätigkeiten (einschließlich politischer Tätigkeiten) durchzuführen.
Fit-and-Proper-Test und Anzeigen nach dem KWG, ZAG und KAGB:
Seitens der BaFin ist die Qualifikation der Geschäftsleiter und Aufsichtsorganmitglieder in einem sogenannten „Fit-and-Proper-Test“ zu würdigen. Sofern Tatsachen ersichtlich werden, die eine fehlende Zuverlässigkeit oder mangelnde Fach- bzw. Sachkunde erkennen lassen, kann die BaFin gemäß § 36 KWG und den ergänzenden Ausführungen in den Merkblättern eine Abberufung des entsprechenden Geschäftsleiters oder Aufsichtsorganmitglieds oder eine Untersagung der Tätigkeit vornehmen. Die Sanktionsbefugnisse der BaFin wurden zuletzt in den §§ 56 Abs. 6–8 und 60b KWG durch eine Erhöhung des Bußgeldrahmens und die öffentliche Bekanntgabe verhängter Sanktionen erheblich ausgeweitet.
Im novellierten Merkblatt für Geschäftsleiter stellt die Aufsicht klar, dass eine umfassende Einzelfallprüfung bei einer beabsichtigten Bestellung lediglich dann durch die Bundesanstalt durchgeführt wird, wenn die Regelvermutung nicht greift.
Änderungen ergaben sich auch bei den Inhalten und Verfahren zur Erstattung der Anzeigen nach dem KWG, ZAG und KAGB. Hier ging die Bundesanstalt bislang davon aus, dass eine „unverzügliche“ Erstattung gegeben ist, sofern ein Zeitraum von vier Wochen nach Entscheidung des zuständigen Organs noch nicht überschritten wurde. Die überarbeiteten Merkblätter sehen nunmehr nur noch einen Zeitraum von zwei Wochen vor. Durch die Merkblätter erfolgen zudem eine Ausweitung der im Anzeigeverfahren einzuholenden Informationen und eine Erweiterung der Informationspflichten beaufsichtigter Unternehmen gegenüber der Aufsicht. So räumen die neuen Merkblätter der Bundesanstalt die Möglichkeit ein, bei offenen Fragen der zu bestellenden Person Gelegenheit zu einem Gespräch (Interview) zu geben. Für die Überprüfung der fachlichen und persönlichen Anforderungen erlegt sie sich mit der Novellierung eine Bearbeitungsfrist von grundsätzlich maximal vier Monaten nach Eingang der vollständigen Unterlagen auf.
Auch die für Anzeigen nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 und 15 KWG von weniger bedeutenden Instituten (Less Significant Institutions: LSIs) zu verwendenden Formulare wurden überarbeitet. Hintergrund ist der durch die „Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen“ erweiterte Umfang der im Anzeigeverfahren einzuholenden Informationen. Im Vorgriff auf eine spätere Änderung der Anzeigenverordnung soll hierzu im Konsultationsverfahren bereits eine Einschätzung gewonnen werden.
Während die Verlängerung einer zeitlich befristeten Bestellung eines Geschäftsleiters bislang nicht der Anzeigepflicht unterlag, ist mit der Novellierung des Merkblatts dieser Ausnahmetatbestand aufgehoben worden. Ebenso ist nun auch die Verlängerung eines bestehenden Verwaltungsrats- oder Aufsichtsratsmandats durch Wiederwahl anzeigepflichtig.
Die Angabepflichten zur Beurteilung etwaiger Interessenkonflikte bestehen für den Geschäftsleiter eines LSI genauso wie für das Mitglied eines Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans eines LSI nun also auch hinsichtlich der Angehörigkeitsverhältnisse zu Personen, die eine bedeutende Beteiligung an dem anzeigenden Unternehmen unterhalten. Anzugeben sind ergänzend zukünftig:
- Gerichtsverfahren zwischen dem Geschäftsleiter eines LSI oder einem von ihm geleiteten Unternehmen und dem anzeigenden Unternehmen sowie dessen Mutter- oder Tochterunternehmen
- Konkurrierende Interessen des Geschäftsleiters eines LSI oder eines von ihm geleiteten Unternehmens oder eines nahen Angehörigen gegenüber dem anzeigenden Unternehmen sowie dessen Mutter- oder Tochterunternehmen
Bislang war eine detaillierte Angabe zum zeitlichen Aufwand aller Tätigkeiten und Mandate, welche die Person wahrnimmt, nur bei Geschäftsleitern sowie Verwaltungs- und Aufsichtsratsmitgliedern von bedeutenden Instituten (Significant Institutions: SIs) erforderlich. Für LSIs galt eine Gesamtschau und eine geschätzte Summe als ausreichend. Mit der Überarbeitung der Merkblätter besteht zukünftig die Verpflichtung, den Zeitaufwand gegenüber der Bundesanstalt, und zwar bezogen auf das jeweilige einzelne Mandat oder die jeweilige Tätigkeit in Stunden pro Jahr, anzugeben. Bei Mandaten in Verwaltungs- oder Aufsichtsorganen ist zudem die Zahl der Sitzungen pro Jahr anzugeben. Bei der Angabe der Mandate in Verwaltungs- und Aufsichtsorganen wird nunmehr explizit darauf verwiesen, dass auch die damit verbundenen zusätzlichen Verantwortlichkeiten, wie z. B. Vorsitz- oder Ausschusstätigkeiten, entsprechend zu berücksichtigen sind. Die anzugebenden Zeiten haben explizit auch den Zeitaufwand für Fort- und Weiterbildungen zu beinhalten.
Ausgenommen von der Angabepflicht sind ehrenamtliche Tätigkeiten nach dem neuen Merkblatt nur noch dann, wenn es sich um geringfügige ehrenamtliche Tätigkeiten außerhalb der Arbeitszeit handelt. Im Zweifelsfall sollte jedoch auch hier das zuständige Fachreferat der BaFin kontaktiert werden. Bei der Bewertung der ausreichenden zeitlichen Verfügbarkeit sind auch im Rahmen der Mandatsbeschränkungen privilegierte oder nicht zu berücksichtigende Mandate mit einzubeziehen.
Bei der Mandatszählung ergaben sich demgegenüber weitere Privilegierungen. Mandate als Geschäftsleiter und als Verwaltungs- oder Aufsichtsorganmitglied können im Rahmen eines Privilegierungstatbestands von jetzt an zusammen als ein Mandat gezählt werden; sie zählen in diesem Fall als ein Geschäftsleitermandat. Weiterhin wurde die Aufzählung der nicht berücksichtigungspflichtigen Mandate bei Organisationen und Unternehmen, die nicht überwiegend gewerbliche Ziele verfolgen, ergänzt um:
- Kreditwirtschaftliche Spitzenverbände und deren regionale Verbände
- Mitgliedschaft in einem Börsenrat gemäß § 12 des BörsG
- Mandate in Unternehmen, die ausschließlich der privaten Vermögensverwaltung der Person oder ihrer Familienmitglieder dienen – es sei denn, dies ist so umfangreich, dass dabei ein täglicher Verwaltungsaufwand anfällt
Als der Bundesanstalt mitzuteilende wesentliche Änderungen der in Zusammenhang mit der Bestellung eines Geschäftsleiters oder eines Mitglieds des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans getätigten Angaben werden insbesondere betrachtet:
- Wesentliche Änderungen, die zu einer Neubewertung der Eignung durch das Institut geführt haben
- Jährlich erfolgte Neubewertungen der Eignung in der Gesamtheit durch CRR-Institute, die von erheblicher Bedeutung sind
- Bewertungsergebnisse, durch welche die Geschäftsleitung oder das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan zu dem Schluss kommen, dass ein Mitglied individuell nicht geeignet ist bzw. dass entweder die Geschäftsleitung und/oder das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan in der Gesamtheit nicht geeignet ist; in diesem Fall sollte das Institut die Behörde unverzüglich informieren – u. a. über die vorgeschlagenen oder ergriffenen Maßnahmen, um diesen Zustand zu beseitigen
Anforderungen an interne Richtlinien und Prozesse:
Der neu eingefügte Abschnitt „Pflichten der Geschäftsleiter“ verweist letztlich auf die im Merkblatt benannten Anforderungen an die Eignung und Eignungsprüfung und betont in diesem Zusammenhang die Verpflichtung der Geschäftsleitung, eine gemäß § 25a Abs. 1 KWG ordnungsgemäße Geschäftsorganisation zu schaffen, die insbesondere die Einhaltung der individuellen Eignungsanforderungen sicherstellt sowie die Eignungsanforderungen in der Gesamtheit, die an Geschäftsleiter und Aufsichts- und Verwaltungsräte gestellt werden. Diesbezüglich nimmt das Merkblatt explizit einen Verweis auf das Erfordernis einer angemessenen personellen Ausstattung des Instituts nach § 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 4 KWG i. V. m. AT 7.1 MaRisk vor.
Unterstützt wird diese Anforderung der Aufsicht durch den neuen Teilabschnitt „Richtlinien und Prozesse“. In diesem formuliert das Merkblatt jetzt auch die Verpflichtung der Geschäftsleiter zur Implementierung und schriftlichen Fixierung von Prozessen mittels:
- Eignungsrichtlinien
- Diversitätsrichtlinien für Geschäftsleitung, Verwaltungs- und Aufsichtsorgan sowie Mitarbeiter
- Einführungs- und Schulungsrichtlinien
- Richtlinien zum Umgang mit Interessenkonflikten für Geschäftsleitung, Verwaltungs- und Aufsichtsorgan sowie Mitarbeiter
Der Detaillierungsgrad hat wie üblich nach dem Grundsatz der Proportionalität zu erfolgen.
Die Eignungsrichtlinien sollten Grundsätze zur Auswahl, Überwachung und Nachfolgeplanung für die Mitglieder der Geschäftsleitung und des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans sowie für die Wiederbestellung von bestehenden Mitgliedern beinhalten und zumindest Folgendes darlegen:
- Den Prozess zur Auswahl, Ernennung, Wiederbestellung und Nachfolgeplanung von Mitgliedern der Geschäftsleitung und des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans sowie das geltende interne Verfahren zur Eignungsbewertung eines Mitglieds, einschließlich der internen Funktion, die für die Unterstützung der Bewertung verantwortlich ist
- Die bei der Bewertung zu verwendenden Kriterien, die mit den gesetzlichen Erfordernissen und den in den Merkblättern aufgeführten Grundsätzen im Einklang stehen
- Regelungen, wie im Rahmen des Auswahlprozesses die Diversitätsrichtlinie für Mitglieder der Geschäftsleitung und des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans und das Ziel für das jeweils unterrepräsentierte Geschlecht zu berücksichtigen sind
- Den Kommunikationskanal zu den zuständigen Behörden
- Regelungen, wie die Bewertung dokumentiert werden sollte
Die Eignungsrichtlinien sollen ferner der Bewertung der individuellen Eignung und der Eignung in der Gesamtheit dienen und auf Basis der in einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und Merkblättern veröffentlichen Kriterien aufgestellt werden. Dabei ist darauf zu achten, dass die Regelungen im Einklang stehen mit dem bereits vorhandenen oder ebenfalls anzupassenden Governance-Rahmen des Instituts, der Unternehmenskultur und der Risikobereitschaft. Es sollte ein direkter Zusammenhang mit den ggf. auch in die Eignungsrichtlinien zu integrierenden Diversitätsrichtlinien bestehen.
Darüber hinaus sind auch Regelungen zu den Abläufen für die Auswahl und Ernennung der Inhaber von Schlüsselfunktionen zu treffen.
Die Diversitätsrichtlinien sollten Diversitätsziele enthalten, die dazu führen, dass bei der Bestellung von Mitgliedern der Geschäftsleitung und des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans ein breites Spektrum an Qualitäten und Kompetenzen erreicht wird, das möglichst in Meinungsvielfalt, stärkere Unvoreingenommenheit und ausgewogene Entscheidungsfindung mündet.
Als zu berücksichtigende Diversitätsaspekte benennt die Aufsicht insbesondere
- Bildungs- und beruflichen Hintergrund,
- Geschlecht,
- Alter und
- geografische Herkunft,
wobei selbstverständlich die gesetzlichen Diskriminierungsverbote zu beachten sind. Diesbezüglich sollten ebenfalls Diversitätsrichtlinien für Mitarbeiter aufgestellt werden, einschließlich Aspekten zur Karriereplanung und Maßnahmen, um die Gleichbehandlung sowie gleiche Möglichkeiten für Mitarbeiter unterschiedlichen Geschlechts sicherzustellen.
Die aufzustellenden Einführungs- und Schulungsrichtlinien sollten berücksichtigen, dass die Mitglieder der Geschäftsleitung bzw. des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans, soweit möglich, bereits vor Beginn ihrer Tätigkeit über die Kultur, Werte, das Verhalten und die Strategie des Instituts und seiner Geschäftsleitung bzw. seines Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans informiert werden.
Das Merkblatt greift hier die Anforderungen des KWG noch einmal auf, dass die Verpflichtung zur Bereitstellung angemessener personeller und finanzieller Ressourcen zwecks Amtseinführung und Fortbildung bei den Instituten liegt. Um eine angemessene Planung und Steuerung vornehmen zu können, sollten die ggf. in die Eignungsrichtlinien zu integrierenden Einführungs- und Schulungsrichtlinien möglichst konkrete Regelungen vorsehen, die bei Governance-, Strategie- und sonstigen relevanten Änderungen, neuen Produkten oder Änderungen von geltendem Recht und Marktentwicklungen an die aktuellen Erfordernisse angepasst werden. Die Entwicklung dieser Richtlinien sollte unter Beteiligung der Ressorts Personal (inklusive der Beauftragten für interne Schulungen) und Finanzplanung sowie, falls angemessen, unter Einbindung der internen Kontrollfunktionen erfolgen.
Mindestinhalte sollten sein:
- Einführungs- und Schulungsziele – jeweils getrennt für Geschäftsleitung und Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan und spezifiziert für die konkreten Positionen
- Verantwortlichkeiten für die Entwicklung eines ausführlichen Schulungsprogramms
- Für die Einführung und Schulung vom Institut zur Verfügung gestellten Finanz- und Personalressourcen – unter Berücksichtigung von Anzahl und Kosten der Einführungs- und Schulungssitzungen sowie dazugehörender Verwaltungsaufgaben
- Klar festgelegter Vorgang, nach dem jedes Mitglied des Leitungsorgans eine Einführung oder Schulung anfordern kann
Darüber hinaus sollte im Rahmen eines Prozesses bestimmt werden, in welchen Bereichen Schulungen erforderlich sind – sowohl in der Gesamtheit für Geschäftsleitung bzw. Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan als auch für einzelne Mitglieder dieser Organe. Die auf Basis der Richtlinien zu gestaltenden Programme und Maßnahmen sollten dann gemeinsam mit den relevanten Geschäftsbereichen erarbeitet werden.
Unweigerlich verbunden mit dem Einführungs- und Schulungsprozess ist die Implementierung eines Beurteilungsprozesses, um die Durchführung und Qualität der erbrachten Einführung/Schulung zu kontrollieren sowie die Einhaltung von Einführungs-/Schulungsrichtlinien und –verfahren sicherzustellen.
Die Verantwortung für die Richtlinien zum Umgang mit Interessenkonflikten liegt nach dem novellierten Merkblatt bei der Geschäftsleitung bzw. dem Verwaltungs- und Aufsichtsorgan. Bei Bestehen einer Gruppe sollte das übergeordnete Unternehmen dafür Sorge tragen, dass die Gruppe über entsprechende Richtlinien für den Umgang mit Interessenkonflikten verfügt.
Das Erfordernis schriftlich fixierter Regelungen ergibt sich nach dem novellierten Merkblatt zu den Mitgliedern von Verwaltungs- oder Aufsichtsorganen auch für die Arbeit des Aufsichtsorgans und seiner Ausschüsse. So haben die Ausschüsse die Entwicklung und Umsetzung eines soliden Rahmenwerks für die interne Governance zu unterstützen, um dazu beizutragen, dass die Institute der ihnen obliegenden Verpflichtung durch eine klare Zuweisung und Aufteilung von Pflichten und Aufgaben zwischen den Fachausschüssen des Leitungsorgans nachkommen. Jeder Ausschuss soll vom Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan ein dokumentiertes Mandat mitsamt Umfang seiner Zuständigkeiten erhalten und geeignete Arbeitsverfahren einrichten.
Die durch das Verwaltungs- und Aufsichtsorgan zu erarbeitende Zielsetzung und Strategie zur Förderung der Diversität in der Geschäftsleitung bzw. im Verwaltungs- und Aufsichtsorgan soll durch den Nominierungsausschuss unterstützt werden. Dies umfasst gemäß § 25d Abs. 11 S. 2 Nr. 2 KWG auch die Erarbeitung einer Zielsetzung zur Förderung der Vertretung des unterrepräsentierten Geschlechts im Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan sowie einer Strategie zu deren Erreichung. Hinsichtlich der Zielfestlegungen für die Vertretung des unterrepräsentierten Geschlechts sollten CRR-Institute, die von erheblicher Bedeutung sind, ein quantitatives Ziel inklusive Zeithorizont für die Geschäftsleitung bzw. das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan definieren. Dieses sollte im Rahmen der jährlichen Kontrolle der Zusammensetzung der Geschäftsleitung bzw. des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans überprüft, dokumentiert und bei Zielabweichungen begründet und mit Maßnahmen belegt werden. In den Diversitätsrichtlinien „anderer Institute“, insbesondere solcher mit einer Geschäftsleitung und einem Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan, die zusammen weniger als fünf Mitglieder haben, kann das Ziel qualitativ formuliert werden.
Zudem sind Richtlinien und Abläufe des Instituts für den Umgang mit plötzlicher oder unerwarteter Abwesenheit oder Abreise von Mitgliedern der Geschäftsleitung bzw. des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans einschließlich relevanter Übergangsbestimmungen zu implementieren, die in eine zu erstellende Nachfolgeplanung einfließen sollen.
Weiterhin sind CRR-Institute von erheblicher Bedeutung per se zur Ausschussbildung verpflichtet. Verwaltungs- und Aufsichtsorgane „anderer Institute“ haben wie bislang anhand der im Merkblatt genannten Kriterien nachvollziehbar über die Bildung oder Nicht-Bildung der Ausschüsse zu entscheiden und die Entscheidung angemessen zu dokumentieren. Neu ist für diese Institute jedoch, dass die Aufsicht ihnen nun auch – bei entsprechender Begründung – die Möglichkeit der Zusammenlegung des Nominierungsausschusses und des Risikoausschusses einräumt.
Dokumentationsanforderungen werden auch in Bezug auf Sitzungen der Ausschüsse formuliert. So sollten nicht nur Tagesordnungen, Ergebnisse und Schlussfolgerungen, sondern auch weitere relevante Informationen zur Aufgabenerfüllung der Ausschüsse dokumentiert und regelmäßig an den Verwaltungs- und Aufsichtsrat berichtet werden.
Aufgaben des Nominierungsausschusses:
Einen besonderen Stellenwert nehmen im Zuge der Überarbeitung des Merkblatts zu den Mitgliedern von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen die Stellung und die Aufgaben des Nominierungsausschusses ein. Aufgrund der hohen Anforderungen an die Eignung der Geschäftsleiter und Mitglieder des Aufsichtsorgans müssen die Mitglieder des Nominierungsausschusses ausreichende Kenntnisse über das Geschäft des Instituts, dessen Auswahlverfahren und Eignungsanforderungen besitzen sowie Fähigkeiten und Erfahrungen in der Bewertung von Fach- und Sozialkompetenzen mitbringen, um beurteilen zu können, inwiefern die Zusammensetzung der Geschäftsleitung bzw. des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans den Anforderungen der Aufsicht entspricht, bzw. um geeignete Kandidaten für freie Stellen in der Geschäftsleitung bzw. des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans empfehlen zu können.
Verwiesen wird zu diesem Zweck auf die Regelungen des § 25d Abs. 11 S. 3 und 4 KWG, die es dem Nominierungsausschuss ermöglichen, auf alle erforderlichen Ressourcen zurückzugreifen – nicht nur eine externe fachliche Beratung betreffend, sondern auch hinsichtlich der Einbindung relevanter interner Kontrollfunktionen und sonstiger zuständiger interner Funktionen (z. B. Personal, Recht, Finanzen) sowie bezüglich des Zugriffs auf Informationen und Daten relevanter Unternehmens- und Kontrollfunktionen (z. B. Recht, Finanzen, Personal, IT, Risikomanagement, Compliance, Interne Revision), auf ihm gegenüber zu erstattende Berichte, Ad-hoc-Informationen und Informationen über aufgetretene wesentliche Verstöße. Der Nominierungsausschuss ist explizit angehalten, regelmäßig Inhalt, Form und Häufigkeit der Information über Risiken, die ihm berichtet werden, zu überprüfen und dementsprechend darüber zu entscheiden.
Die Aufgaben des Nominierungsausschusses werden hinsichtlich der Kandidatenauswahl im Merkblatt insofern konkretisiert, dass er in Zusammenarbeit mit der Personalabteilung eine schriftliche Beschreibung des jeweiligen Profils erstellen sollte, das
- die Rollen, Aufgaben und erforderlichen Fähigkeiten für jede Position erfasst;
- eine angemessene Ausgewogenheit zwischen Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrung der Geschäftsleitung bzw. des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans bewertet;
- den erwarteten Zeitaufwand der Position bewertet (bei kleineren und weniger komplexen Instituten ist es ausreichend, nach Zeitaufwand des Geschäftsleiters und Zeitaufwand der Mitglieder im Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan zu unterscheiden) sowie
- die Ziele der Diversitätsrichtlinie berücksichtigt.
Erstellt werden sollen zudem eine enge Auswahlliste mit einer Vorauswahl geeigneter Kandidaten, im Rahmen derer die Ziele und Anforderungen der Diversitätsrichtlinie des Instituts sowie eine geeignete Nachfolgeplanung für die Geschäftsleitung bzw. das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan beachtet werden, sodass möglichst verhindert werden kann, dass zu viele Mitglieder gleichzeitig ersetzt werden müssen.
Gemäß § 25d Abs. 11 S. 2 Nr. 5 KWG unterstützt der Nominierungsausschuss das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan auch bei der Überprüfung der Grundsätze der Geschäftsleitung für die Auswahl und Bestellung von Personen der oberen Leitungsebenen und bei diesbezüglichen Empfehlungen an die Geschäftsleitung. Zu den Personen der oberen Leitungsebenen gehören nach Auffassung der Bundesanstalt die Inhaber von Schlüsselfunktionen.
Hinweise zu Pflichten der Institute:
Über die Pflichten zur Implementierung der erforderlichen Richtlinien und Prozesse, zur Beachtung der novellierten Anzeigepflichten und zur Durchführung der Eignungsprüfungen hinaus konkretisieren die novellierten Merkblätter die Pflichten des Instituts aus § 25c Abs. 4 KWG und § 25d Abs. 4 KWG in Bezug auf die Bereitstellung personeller und finanzieller Ressourcen zur Amtseinführung und Fortbildung dahingehend, dass
- die Einführung in das Amt des Geschäftsleiters zeitnah erfolgen sollte;
- Mitglieder des Verwaltungs- und Aufsichtsorgans wichtige Informationen spätestens einen Monat nach Amtsantritt erhalten und die Einführung in das Amt binnen sechs Monaten abgeschlossen sein sollte;
- das Verständnis hinsichtlich Struktur, Geschäftsmodell, Risikoprofil und Governance-Regelungen des Instituts sowie das Verständnis der jeweiligen Rolle einzelner Geschäftsleiter bzw. Mitglieder des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans gefördert werden sollte – wie auch das Bewusstsein für die Vorteile einer Diversität.
Gleichzeitig resultiert aus diesen Anforderungen jedoch kein unmittelbarer Anspruch auf Bewilligung einzelner Fortbildungsmaßnahmen von Einzelpersonen. Nichtsdestotrotz geht die Bundesanstalt davon aus, dass das Institut den Bedarf an Weiterbildung ermittelt, der sowohl durch Schulungen des Gesamtgremiums als auch für einzelne Mitglieder gedeckt werden kann. Dies setzt wiederum angemessene Prozesse zur Evaluation von Qualifikation und Schulungsbedarf voraus.
Sonstige Anpassungen:
Für Wertpapierfirmen werden Hinweise auf die aufgrund europäischer Verordnungen zu verwendenden Formulare im Falle von Änderungen bei den Mitgliedern des Leitungsorgans gegeben. Hierbei handelt es sich um die Vordrucke „Benachrichtigung über Änderungen bei den Mitgliedern des Leitungsorgans“ und „Zuverlässigkeit und Angaben zur zeitlichen Verfügbarkeit“, die Anhang III der Durchführungsverordnung (EU) 2017/1945 bzw. der Delegierten Verordnung (EU) 2017/1943 beigefügt sind. Die Mitteilungspflicht besteht bereits vor Wirksamwerden der Änderungen. Nur in begründeten Fällen wird ein Kulanzzeitraum von zehn Arbeitstagen nach der Änderung eingeräumt.
Fazit und Handlungsempfehlungen:
Die Anforderungen nach §§ 25c und 25d KWG sowie der ergänzenden Merkblätter erhalten in vielen Häusern bislang lediglich Aufmerksamkeit im Rahmen der Erst- und Änderungsanzeigen sowie ggf. einer jährlichen Schulung des Gesamtgremiums. Eine auf Basis interner Regelwerke durchgeführte Evaluation bzw. Eignungsprüfung sowie auf den fachlichen Bedarf zugeschnittene Schulungsmaßnahmen für Gremienmitglieder sind in vielen Instituten nicht zu finden. Die Entwicklungen der nächsten Jahre werden zeigen, ob die Aufsicht damit die gemeinsamen gesellschaftlichen Ziele der Chancengleichheit und der Sicherung von Finanzmarktstabilität weiter vorantreiben konnte. In jedem Fall haben die Institute nun einiges an Umsetzungsmaßnahmen zu bewältigen, für die wir folgende Handlungsempfehlungen geben:
- Passen Sie Ihre internen Prozesse hinsichtlich der Abgabe notwendiger Anzeigen so an, dass Sie den auf zwei Wochen verkürzten Zeitraum einhalten.
- Informieren Sie Ihre Geschäftsleitung und Verwaltungs- bzw. Aufsichtsratsmitglieder bereits jetzt über die erwarteten Änderungen und insbesondere über ihre Mitwirkungspflichten und Verantwortlichkeiten.
- Prüfen Sie für die Geschäftsleiter, Mitglieder des Aufsichtsorgans und Inhaber von Schlüsselpositionen in einem Vorab-Check, ob erste Hinweise auf eine Nichterfüllung der Anforderungen bestehen.
- Prüfen Sie ggf. passende Kandidaten und Kandidatinnen zur Schaffung einer größeren Diversität in Ihren Gremien.
- Stellen Sie ggf. einen Arbeitskreis aus internen Kontrollfunktionen, Personalabteilungen und internen Fachabteilungen – ggf. unter Beteiligung externer Experten – zusammen, um haltbare und umsetzbare interne Richtlinien zu entwickeln.
- Prüfen Sie die Kriterienkataloge und Anlagen zu den Merkblättern hinsichtlich der Anwendbarkeit zur Entwicklung eigener Eignungstests in Ihrem Institut.
- Definieren Sie Kommunikationswege, insbesondere auch zur Einbindung des Aufsichtsorgans.
- Prüfen Sie den konkreten Schulungsbedarf Ihrer Gremienmitglieder und erstellen Sie geeignete Schulungskonzepte.
Wir stehen Ihnen sehr gern als Unterstützung bei sowohl der Konzeption als auch der Umsetzung und Durchführung von entsprechenden Schulungsmaßnahmen zur Verfügung.
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